5 Hacks für Lokale, (fast) ohne Kaninchenzüchter
Und warum ich den Lokaljournalismus verlassen musste
Hi und willkommen bei TextHacks! Diese Woche möchte ich festhalten: Jede Person, die in den Journalismus möchte, sollte einmal beim Kaninchenzüchterverein gewesen sein. Ich habe mit 16 meine ersten Texte in der Eifel-Redaktion des Kölner Stadt-Anzeiger geschrieben. Und ja, ich war bei den Kaninchen, aber noch öfter bei den Schützen auf ihren Festen und den Lokalpolitiker*innen im Stadtrat. Dort habe ich übrigens meine erste Geschichte gefunden, die später bei SPIEGEL ONLINE erschienen ist. Weil ich gelernt hatte, Menschen wirklich zuzuhören, akribisch zu recherchieren und das Besondere an den Orten zu finden, die gar nicht so besonders wirkten.
Ich wäre vermutlich immer im Lokaljournalismus geblieben, bis leider das passiert ist:
Aber genug von mir. Viele Jahre später haben die meisten Regionalzeitungen verstanden, dass sich etwas ändern muss. An den Inhalten und der Personalpolitik. Deshalb gibt es heute 5 Hacks fürs Lokale.
Julia Blust ist Chefin von Dienst beim SÜDKURIER am Bodensee in einem regionalen Team. Ausflüge ins Überregionale bei Praktika waren spannend, das Lokale ist aber der beste Ort für sie. Alexander Schulz leitet das Content-Management und ist Chef vom Dienst in der Digitalredaktion. Die Schnittstelle zwischen Reichweite und Paid Content ist sein Bereich. Zuvor war er Redaktionsleiter beim t3n Magazin. Folgt den beiden bei Twitter (Alex / Julia) oder LinkedIn (Alex / Julia).
Sei relevant
Klingt simpel, ist es aber nicht. Was beschäftigt die Menschen draußen vor der Redaktionstür? Wovon bekommen sie Puls? Zu Terminen laufen und drüber schreiben reicht nicht mehr, um neue Leser*innen zu gewinnen. Je mehr du herausfindest, was die Menschen beschäftigt und es in ihren Tanzbereich schaffst, desto besser. Baustelle auf dem Weg zur Arbeit? Einschnitte in der Kita-Betreuung? Gewalttat mitten in der Kleinstadt? Da ist er, der Tanzbereich. Nur räumliche Nähe reicht nicht. Es muss an den Geldbeutel gehen. In die Komfortzone, an liebgewonnene Gewohnheiten. Es gibt etwas zu gewinnen oder zu verlieren. Hier musst du sein. Unser Beispiel.
Kenne deine Zielgruppe
Jahrelang war die Zielgruppe für Lokaljournalismus: irgendwie alle halt, oder? Die Frage "wer würde diesen Text lesen?" stellten sich damals (meist) Männer in Redaktionskonferenzen selten. Diese Frage gehört dazu. Bei jedem Text. Das ist oft anstrengend und manchmal lautet die Antwort: Die Zielgruppe ist klein, aber dafür spitz. Das heißt so viel wie: Da ist Druck im Thema. Dann kann auch eine überschaubare Zielgruppe ausreichen. Sonst gilt: Je mehr Menschen in deiner Region das Thema betrifft (Tanzbereich!), desto besser. Beste Kombination: große Zielgruppe, hohe Betroffenheit, enorme Auswirkungen. Ob du richtig liegst, erfährst du durch Daten. Schau dir an, wie deine Geschichten performen und lerne daraus. Immer und immer wieder. Unser Beispiel.
Stelle Fragen
Und beantworte sie. Sei Anwältin deiner Leser*innen im besten Sinne. Fragen stellen ist für Journalist*innen total selbstverständlich? Dann geh zu einer Pressekonferenz und schau dir das Verhältnis zwischen Aussagen und Fragen an. Besser: Lauf mit den Leser*innen-Fragen zu deinen Gesprächspartner*innen. Beispiel 1 und Beispiel 2.
Vermeide piefige Floskeln
Großer Bahnhof für den scheidenden Bürgermeister. Er war ein Hans Dampf in allen Gassen, ein echter Tausendsassa. Ein Fest für Groß und Klein. Für das leibliche Wohl wurde gesorgt. Ernsthaft: Don't. Do. It.
Brich Überregionales runter
Themen, die die Zeit, Süddeutsche oder der Tagesspiegel spielen, können morgen in deiner Region relevant werden. Nutze die Storys der Kolleg*innen. Brich das große Ganze runter und zeig deinen Leser*innen, was sie in Zukunft erwartet. Das Deutsche Tierschutzbüro veröffentlicht brisantes Bildmaterial aus der größten Kaninchenzuchtanlage Deutschlands? Wirf mal einen Blick auf die lokalen Karnickelzüchter. Du wirst staunen, wie viel Überraschendes sich ergibt, wenn du Leute fragst, womit sie nicht rechnen. Und schwupp sind auch Kaninchenzüchter plötzlich nicht mehr ganz so piefig, oder?
Bonus: Ein wichtiger Tipp
Halte Gegenwind aus: Die Gemeinderätin findet blöd, dass du Projekt XY kritisierst? Die Verwaltung will deine Fragen erst gar nicht beantworten? Protagonist*innen sind im Lokalen mitunter Nachbarn oder du begegnest ihnen an der Wursttheke. Und vor allem triffst du sie in der Regel immer wieder - oft für weitere Storys. Deine Leser*innen wissen aber zu schätzen, dass du da hinschaust, wo es brenzlig ist.
Falls ihr Lust aufs Lokale UND den Bodensee bekommen habt, die beiden haben einige Jobs zu vergeben.
Seid ihr auch Team Lokaljournalismus? Dann meldet euch in den Kommentaren! Liebe Grüße, Anne-Kathrin
Liebe ja alle Folgen, aber diese besonders! Obwohl ich (Volo bei der Hamburger Morgenpost) nie bei einem Kaninchenzüchter war :).
Dieses lächerliche und kindische Gendern im Text ist völlig kontraproduktiv.