Hi und willkommen zu TextHacks. Zu einer ganz besonderen Folge. Denn: In den vergangenen Wochen sind mehr als 200 neue Subscriber dazu gekommen. Die 5.000er-Marke ist geknackt. Und weil ihr so oft schreibt: Danke, dass dein Newsletter so kurz ist. Kommt heute die ultimativ längste Folge. 50 alte und neue Hacks. Los geht’s.
1️⃣ Komplizierte Texte entstehen meist, wenn die Quelle kompliziert schreibt: eine dpa-Meldung im Nominalstil, eine wissenschaftliche Studie in Fachsprache, eine Pressemitteilung voll bürokratischer Sprache. Tipp: Lest den Text oder eure Notizen gründlich, legt die Quelle weg, und schreibt eine Meldung aus allem, was euch einfällt und wichtig erscheint in euren eigenen Worten.
2️⃣ Lest den Text laut vor. Die Stellen, an denen ihr hängenbleibt, sind vermutlich zu kompliziert oder verschachtelt.
3️⃣ Ihr MÜSST alles selber verstehen, was ihr schreibt. Klingt banal, aber passiert selten.
4️⃣ Überladet eure Sätze nicht mit Infos. Grundregel für informative Texte: eine neue Information pro Satz, ein Thema pro Absatz.
5️⃣ Findet Nominalstil, indem ihr euer Dokument nach der Endung “ung” durchsucht”. Nominalstil bedeutet, dass Verben durch verwandte Nomen ersetzt werden. Beispiel: “die Öffnung der Tür”.
6️⃣ Füllwörter, die du auch mal wieder endlich streichen solltest: auch, noch, immer mehr, sogar.
7️⃣ Für jede Stunde, die du mit einem Text verbringst, beschäftige dich zehn Minuten mit Überschrift und Teaser.
8️⃣ Was deine Kolleg*innen glücklich machen wird: strukturierte E-Mails. Fass’ das Wichtigste in Bulletpoints zusammen, beginne einen neuen Punkt mit einer gefetteten Zwischenüberschrift und schreib’ im ersten Satz, worum es in dieser E-Mail geht.
9️⃣ Linkedin-Hack: Niemand braucht achtzehn Hashtags. Zwei oder drei reichen vollkommen, gar keine sind auch okay. Welche auswählen? Die, nach denen Leute realistisch suchen würden: Hashtags zu einer Konferenz, einem Ereignis, einem Trend. Jedes zweite #Wort zu #taggen ist #sinnlos und stört den Lesefluss.
🔟 Anfängerregel, die niemandem schadet: Aktiv statt Passiv. Den Text nach dem Wort “wird” durchsuchen. Und alle Formulierungen, die nicht Zukunft sind (Jemand wird etwas machen), ersetzen.
1️⃣1️⃣ Unpopuläre Meinung: Das Gehirn braucht Wiederholung, um sich Dinge zu merken. Deshalb dürfen wichtige Punkte in Texten mehrmals vorkommen. Oder Tipps aus alten Newsletter-Folgen.
1️⃣2️⃣ Newsletter-Hack: Es lebe der Spoiler! Dein Newsletter ist kein Marvel-Movie – deine Fans wollen gleich wissen, was sie erwartet. Betreff und Vorschautext entscheiden, ob sie die E-Mail öffnen. Sei knallig, aber klar.
1️⃣3️⃣ Verben machen Zeilen schöner. Nominalstil ist der Grund für die Unlesbarkeit der Überschriften.
1️⃣4️⃣ Hack für Wirtschaftstexte: Vermeidet abgegriffene Redewendungen wie „redet wie ein Wasserfall“ oder „trennt Spreu vom Weizen“. Erfindet stattdessen neue Sprachbilder, die zu eurem Thema passen. Geht es beispielsweise um die Wasserwirtschaft, schreibt „sprudelt wie Kohlensäure“ oder „trennt sich Sekt von Selters“.
1️⃣5️⃣ Zahlen greifbar machen: „Das US-Unternehmen Blackrock verwaltet 10 Billionen Dollar.” Klingt beeindruckend, kann sich aber kein Mensch vorstellen. Fügt einen Halbsatz hinzu, der die Zahl greifbar macht: „Das entspricht dem Dreifachen der deutschen Wirtschaftsleistung.“ (Hacks für Wirtschaft)
1️⃣6️⃣ Youtube-Hack: Der Videotitel und der Text auf dem Thumbnail sollten nicht gleich sein. Ihr verschenkt Platz für Infos oder Details oder Cliffhanger.
1️⃣7️⃣ Gib deinen Bildern Bildbeschreibungen. Erkläre, was auf deinen Bildern zu sehen. Das ist gut für Menschen, die deine Bilder nicht sehen können (aber sich sehr wohl die Bildbeschreibungen mittels Sprachsoftware vorlesen lassen können). Bei Twitter gibt es die Funktion direkt im Tweet ("alt"), bei Instagram gibst du die Bildbeschreibung als Alternativtext ein.
1️⃣8️⃣ Untertitele deine Videos. Du hilfst damit Menschen, dich zu verstehen. Nicht nur gehörlosen Menschen, sondern auch allen anderen, die sich deine Videos anschauen.
1️⃣9️⃣ Kürze deinen eigenen Text am Ende IMMER. Niemand schreibt perfekt kurze Texte.
2️⃣0️⃣ Schreib zuerst deine Zwischenüberschriften auf, alles, was nicht direkt dazu gehört, streichen.
2️⃣1️⃣ Mach dir klar: Dein Text kann nie ALLES erklären. Er ist kein Sachbuch. Grenz dein Thema ein und nutze kluge Verlinkungen für Menschen, die mehr wissen wollen. Hack: Pack eine Verlinkung nicht hinter ein paar Worte, sondern nutze Formate wie dieses: (Diese Newsletterfolge erklärt die optimale Textlänge)
2️⃣2️⃣ Bist du unsicher, ob ein Absatz wirklich weg kann, pack ihn unten ins Dokument in die Rubrik “Stehsatz für später”. Lies am Ende deinen Text. Ist er rund? Vergiss den Stehsatz.
2️⃣3️⃣ Don’t kill your darlings. Kill your Expertinnen und Protagonisten. Die meisten Texte brauchen nicht mehr als zwei Expert*innen oder Protagonist*innen.
2️⃣4️⃣ Hack fürs Community Management: Stärke Positives! Neben der lauten Minderheit sollte der Fokus auf die mitlesende Mehrheit gerichtet werden. Wenn Nutzerinnen und Nutzer sehen, dass auf ernsthafte Meinungsäußerungen eingegangen wird, wird das langfristig wieder ein gutes Gesprächsklima fördern.
2️⃣5️⃣ Eine gute Instagram-Caption ist eine kleine Geschichte und kein klassischer Teaser, der nur eine Geschichte anreißt. Denn die Menschen möchten auf der Plattform informiert oder unterhalten werden.
2️⃣6️⃣ Tik-Tok-Hack: Emojis, Abkürzungen, Anglizismen - Dein Wortschatz braucht neue Wörter und Symbole. Alles, was den Text kürzer und leichter lesbar macht, ist erlaubt. Streich zum Beispiel das „und“ aus deinem Wortschatz und verwende Satzzeichen wie &, + und :. Ergänze deine Sprache um Netzausdrücke wie POV („point of view“), FYP („foryoupage“) und „How to“. Und: ein Emoji sagt mehr als 1000 Worte 😊
2️⃣7️⃣ Nutze nur Wörter, die du selber benutzen würdest. Du darfst schreiben wie ein 16-Jähriger, wenn du 16 bist. Sonst nicht.
2️⃣8️⃣ Reportagen-Hack: In der Mitte beginnen, nicht am Anfang; ein Cliffhanger, der das Publikum durch den Text trägt; ein überraschendes Ende.
2️⃣9️⃣ Verzichte auf Ausrufezeichen. Niemand will aus Texten heraus angeschrien werden. Ich erkläre diese Regel in Konferenzen (pre pandemic) immer mit einem Kinder-Megaphon, das ich meiner Tochter geklaut habe. HÖRT AUF, LEUTE ANZUSCHREIEN AUS HEFTEN HERAUS!!!11elf! AUCH NICHT AUS DEM INTERNET!!1! (LINK Michele=
3️⃣0️⃣ Reduziere deine Wortbilder. Wichtiger als schön schreiben ist immer: einfach schreiben. Wenn du mehr als eine Metapher innerhalb von drei Absätzen nutzt: entscheide dich für eine. Oder null.
3️⃣1️⃣ Fette wichtige Stellen im Text. Das mag designtechnisch nicht besonders elegant sein, aber hilft in Texten, die vor allem eine Funktion haben: schnell die wichtigsten Infos zu vermitteln.
3️⃣2️⃣ Hack für Juristen: Hinweise auf Gesetze, Urteile und weiterführende Links sind niemals am Anfang oder mitten im Satz zu platzieren. Auch hier empfiehlt sich eine Klammer am Ende des Satzes oder ein Hinweis in kleiner Schrift am Ende des Absatzes bzw. der Seite.
3️⃣3️⃣ Vermeiden sollten wir Adjektive, die allgemein bleiben: anders, besonders, groß, klein, perfekt. Darunter stellt sich jeder und jede etwas anderes vor oder im Zweifel: gar nix.
3️⃣4️⃣ Überleg dir zuerst deine Überschrift und deinen Teaser. Wenn du damit Probleme hast, liegt das meistens daran, dass du gar nicht genau weißt, worüber du schreiben möchtest und den roten Faden verlieren wirst.
3️⃣5️⃣ Die einfachste Textform ist das Listicle. Es braucht weder kreative Einstiege noch konstruierte Übergänge. Und die Struktur baut sich von selber.
3️⃣6️⃣ Achte darauf, dass deine Sätze nicht immer die gleiche Struktur haben, sondern variiere. Negativ-Beispiel: Er hat ein Haus gebaut, das im März fertig wird. Er hat ein Baby bekommen, das Marius heißt. Besser: Er hat ein Haus gebaut, das im März fertig wird. Sein Baby heißt Marius.
3️⃣7️⃣ Was hilft auch dabei? Fragen stellen. Was ebenso effektiv ist: Doppelpunkte nutzen. Wie wir an den letzten beiden Sätzen merken, führen Fragen und Doppelpunkte automatisch zu Varianz in der Satzstruktur.
3️⃣8️⃣ Wenn du sehr viele Kommas in einem Satz nutzt, ist dein Satz vermutlich zu lang und schachtelig.
3️⃣9️⃣ Benutze nur Wörter, die du auch im Alltag benutzen würdest. Wenn du selber tief im Thema drinsteckst (und deine Nerd-Wörter im Alltag benutzen würdest), dann gilt: Benutze nur Wörter, die Leute im Alltag benutzen würden, die gar nichts mit deinem Thema zutun haben.
4️⃣0️⃣ Show, don’t tell. Sag den Leuten nicht, dass das Fest “fantastisch” war. Oder die Freude des Brautpaares “groß”. Schildere stattdessen eine Szene und sei dabei so konkret wie möglich. Lieber schreiben: Die Leute verließen das Fest erst, als die Sonne schon wieder aufging. Das Brautpaar bedankte sich so oft bei seinen Gästen, dass das Essen beinahe kalt wurde.
4️⃣1️⃣ Komm schnell zum Punkt. Bei informativen Texten spätestens im zweiten Satz.
4️⃣2️⃣ Wenn mein Text fertig ist, lasse ich ihn mir mit der Vorlesefunktion von Word vorlesen und mache die Augen zu. Was man selten selbst im eigenen Text entdeckt, liest die Computerstimme einfach genauso vor: Tippfehler, halbe Sätze, doppelte Verben etc. Und wenn ich beim Zuhören Formulierungen zu holperig oder unverständlich finde, ändere ich sie auch sofort. (Stefanie Hardick via Linkedin)
4️⃣3️⃣ Wenn ich keinen Einstieg finde, schreibe ich erstmal den Schluss. Auch gut, um ins Schreiben eines Textes reinzukommen. Innere Schere im Kopf möglichst ausmachen und einfach losschreiben - ohne Struktur und Ziel. Sortieren, editieren und streichen kann man dann später. (Jonas Ockelmann via Linkedin)
4️⃣4️⃣ Lies Texte in der Redigatur in drei Stufen. Stufe 1: Inhalt und Struktur. Macht alles Sinn? Stufe 2: Sprache. Schaue auf Füllwörter, Nominalstil und unschöne Sätze. Stufe 3: Rechtschreibung. Versucht nicht, auf alles in einer Runde zu achten.
4️⃣5️⃣ Wenn du fertig bist, drucke deinen Text aus, und lies ihn einmal nur auf Rechtschreibfehler. Wenn du deinen Text zur Abnahme schickst, sei sicher, dass kein Fehler mehr im Text ist. Umso mehr Fehler in die Abnahme gehen, umso weniger werden gefunden.
4️⃣6️⃣ Überlege, wie du einer anderen Person von einem Text erzählen würdest. Schreib es dann genau so auf. Du kannst es dir auch erst selber als Sprachnachricht aufnehmen.
4️⃣7️⃣ Kreativitäts-Hack: Manche Menschen muss man bekanntlich zu ihrem Glück zwingen, das gilt auch für neue Textformen. Was hilft: einmal pro Woche oder Monat eine Themenkonferenz, in der jedes Thema nur in einem ungewöhnlichen Format gepitcht werden darf.
4️⃣8️⃣ Social-Media-Hack: Fasse wichtige Punkte in Bulletpoints zusammen, die du visuell mit einem Emoji trennst.
4️⃣9️⃣ Schreib nicht von vorne nach hinten. Mach dir zwei Dokumente: eins für den finalen Text und eins nur für Ideen und schöne Sätze.
5️⃣0️⃣ Teile TextHacks mit deinen Kolleg*innen und du musst nie wieder mittelmäßige Texte überarbeiten. (Oder auf Twitter, solange das noch geht….) Ernsthaft: Danke an alle, die das in diesem Jahr getan haben. Ohne euch gäbe es keine 5.000 ❤️
Nächste Woche wird’s wieder kürzer. Versprochen. Und wenn ihr bis hierhin gekommen habt, abonniert doch gerne den neuen Newsletter von Daniel Drepper mit den besten Recherchen im deutschen Journalismus. Liebe Grüße, Anne-Kathrin