Dein Chef ist so langweilig wie Olaf Scholz? Das hilft!
Der Kätzchen-Trick und der Stand-Up-Trick (von Carline Mohr)
Hi und herzlich willkommen zu TextHacks! Diese Woche mit einem KI-Tipp und einer Expertinnen-Folge von Carline Mohr.
Diese Woche schreibt sie in ihrem Newsletter über einen Küchenzuruf-Prompt (ich erkläre den Küchenzuruf und seine moderne Version hier). Dieser Prompt kann aus langweiligen Texten Punchlines kreiren.
Für TextHacks schreibt Carline heute über langweilige CEOs. Carline hat den Großteil ihres Lebens im Journalismus verbracht. Sie arbeitete als Head of Social Media bei BILD, als Chefin vom Dienst beim SPIEGEL und als stv. Chefredakteurin bei Business Insider. Während der Bundestagswahl leitete sie den Newsroom in der SPD Parteizentrale. Sie sollte Olaf Scholz "zum Leuchten" bringen.
Für alle Kommunikator:innen, die ihre Chefs und Chefinnen in Szene setzen sollen, erklärt Carline, wie man jemanden charmant und selbstironisch wirken lässt. Am Beispiel Olaf Scholz. Ich übergebe an Carline:
Die vorbereitete Schlagfertigkeit
Es ist ein absolutes Gerücht, dass Schlagfertigkeit live und spontan entstehen muss. Man kann Schlagfertigkeit bis ins letzte Detail vorbereiten. Man kann sie mit der Person, die sie abliefern soll, sogar üben. (Hacks dazu findet ihr weiter unten)
Ein Beispiel aus dem Wahlkampf:
Olaf Scholz hatte die Mitgliederabstimmung um den SPD-Vorsitz verloren. Wenige Monate nach dieser Niederlage wurde Olaf Scholz als Kanzlerkandidat der SPD aufgestellt. Opposition und Medien fragten provokant: „Ach, für die SPD hat’s nicht gereicht, aber für Deutschland ist er gut genug?“ Olaf Scholz antwortete vernünftig, sachlich und furchtbar langweilig. Die Frage war: Geht das besser?
🗞 In einem Spiegel-Interview im August 2020 gibt Olaf Scholz seiner Antwort einen überraschenden Twist:
🛁 Völlig aus dem Nichts disst Scholz seinen damaligen Hauptkonkurrenten Friedrich Merz. Sowohl innerhalb der SPD, aber auch in der öffentlichen Wahrnehmung kam das gut an. Also wagte Scholz sich im November 2020 noch weiter vor. Markus Lanz spricht ihn in seiner Sendung auf seine Niederlage bei der Vorsitzwahl an. Und Scholz schiebt nach seiner sachlichen Einordnung nach: "Jemand, der sich beleidigt zurückzieht, weil er eine Kampfabstimmung gegen eine Frau verliert, ist für mich ein Waschlappen". Markus Lanz lehnt sich daraufhin auf seine markuslanzhaftigste Art vor und fragt: „Haben Sie Friedrich Merz gerade einen Waschlappen genannt?“
Die Schlagzeilen nach der Sendung waren klar. „Scholz nennt Merz einen Waschlappen.“ Und wirklich niemand sprach mehr über Scholzens Niederlage bei der SPD-Vorsitzwahl.
Was man daraus lernen kann:
Vorsichtig herantasten: Gerade Menschen, die kommunikativ eher vorsichtig sind, hilft es in der Regel, wenn sie sich erstmal ausprobieren können. Dafür könnten sich auch interne Formate eigenen, wie Q&As, bei denen sich der CxO wohl und sicher fühlt.
Derailing: Derailing meint, eine Diskussion absichtlich zum Entgleisen zu bringen. Oft verwenden Populisten wie Trump diese Manipulationstechnik, um vom eigentlichen Thema abzulenken. So schlimm ist es im Falle Scholz nun wirklich nicht. Manchmal kann es helfen, sich zu überlegen: Worüber will ich eigentlich reden? Und wie kann ich das so interessant verpacken oder zuspitzen, dass die Ausgangsdiskussion nicht mehr im Mittelpunkt steht?
Say without Saying: In beiden Fällen nennt Olaf Scholz Friedrich Merz nicht mal mit Namen. Das ist elegant und ziemlich sneaky.
Schlagfertigkeit nachreichen: Die vorbereitete Schlagfertigkeit funktioniert natürlich vor allem dann, wenn man weiß, welche kritischen Fragen immer wieder gestellt werden. Kommt es zu einer spontanen Situation, in der man nicht schnell und schlagfertig reagiert, ist das aber kein Problem. Man kann Schlagfertigkeit gezielt und reichweitenstark nachreichen. Dazu schreibe ich nächste Woche in meinem Newsletter “How to Story”!
Wie bereitet ihr jemanden vor?
Hier kommen zwei (eventuell unorthodoxe) Vorschläge aus der Praxis:
🎤 Der Stand-Up-Trick: Wenn jemand zugänglich für Argumente und Strategie ist, kann man ihn vermutlich erstmal sachlich von einem kommunikativen Volley überzeugen. Ich würde transparent eine Strategie des Testens und Herantastens vorschlagen. So wie ein Stand-Up-Künstler seine Gags und Punchlines erst vor kleinem Publikum antestet, bevor er sie auf die große Bühne bringt, würde ich auch mit geschlossenen, sichereren Runden anfangen.
🌶 Die Schärfe in der Antwort würde ich ebenfalls nach und nach justieren. Langsam herantasten. Genau auf die Reaktion der Zuhörenden achten: Grinsen sie? Runzeln sie die Stirn? Schrecken sich zusammen? So kriegt man ein besseres Gefühl für Tonlage und Wirkung. Fragt eure Chefin oder euren Chef, wie er sich gefühlt hat. Haltet nach jeder Runde Rücksprache, gebt Feedback geben und bessert ggf. nach.🐈 Der Kätzchen-Trick: Wenn jemand dazu neigt, einen gewagten Vorschlag erstmal abzublocken, schleicht euch wie ein Kätzchen leise an. Das braucht etwas Zeit. Eigentlich muss euer Chef oder eure Chefin alleine auf die Idee kommen.
⚽️ Das heißt konkret: Schafft ein Format, in dem das Thema, zu dem eure Chefin eine schlagfertige Antwort geben soll, zur Sprache kommt. Macht z. B. ein Kameratraining. Oder ein Video fürs Intranet, das ihr als Moderator:in begleitet. Lasst euren Chef etwas zum gewünschten Thema erzählen. Dann stellt ihr eine Nachfrage. In diesem Beispiel könntet ihr auf eine nüchterne Antwort zur Wahlniederlage sagen: „Naja, immerhin hast du dich nicht wie gewisse andere Leute 16 Jahre ins politische Asyl zurückgezogen…“ Spielt ihm den Ball einfach mal zu und guckt, was passiert.
😊 Achtet darauf, dass jemand um euch herumsteht und lacht. Und ein anderer Vertrauter danach sagt: „Das war eigentlich ein ganz guter Take.“ Lasst das wirken. Vielleicht reicht das schon, um jemanden auf die richtige Spur zu bringen. Falls nicht: Schlagt bei Gelegenheit vor, den “spontanen” Spruch doch mal gezielt auszuprobieren.
Ich freue mich, wenn wir uns hören, lesen, sehen, zum Beispiel bei Insta oder LinkedIn! <3
Vielen Dank, Carline! Für mich geht es diese Woche in den Urlaub, eure TextHacks-Folgen kommen trotzdem jeden Montag. Ich war diese Woche extra fleißig. Nur eure Antworten und Mails werde ich langsamer beantworten. Ganz liebe Grüße, Anne-Kathrin
Carline FTW!