💌 Pitch der ZEIT dein Thema
Mit diesen 18 Tipps landen eure Vorschläge nie wieder im Papierkorb. Was Redakteurin Katharina Meyer zu Eppendorf empfiehlt.
Hallo und herzlich willkommen zu TextHacks! Diese Woche erklärt euch meine ehemalige Kollegin Katharina Meyer zu Eppendorf, was ein starker Pitch ist und wie der in der Redaktion ankommt. (Wer bis ganz unten liest, findet da vielleicht sogar ihre Mailadresse)
Tipp von mir: Diese Folge hilft auf den ersten Blick Journalist*innen, aber nicht nur! Wenn ihr in PR und Marketing arbeitet, werdet ihr genauso viel darüber lernen, was eine gute Geschichte ist. Und was eben nicht. Spoiler: Hier ist unser fantastisches Produkt, bitte berichtet darüber, ist keine.
Betreff: Mit diesen 18 Tipps landen eure Pitches nie mehr im Papierkorb
Liebe Leser:innen meines, und ich denke da spreche ich für uns alle, allerliebsten Schreib-Newsletters,
ich habe in dieser Folge die Ehre, euch zu erklären, wie man den perfekten Pitch für die perfekte Geschichte schreibt, aber erstmal möchte ich so höflich sein und mich vorstellen:
Ich heiße Katharina Meyer zu Eppendorf und bin in meiner journalistischen Arbeit in zweierlei Funktion unterwegs. Als Autorin (weniger Zeit im Jahr) pitche ich Themen. Als Redakteurin bei ZEIT Campus (die meiste Zeit im Jahr) bekomme ich viele Pitches, oder sagen wir eher: Irgendwie-Vorschläge-von-Textideen.
Erst einmal also zum Basic-Gedanken:
Der Unterschied zwischen einer Geschichte und einem Thema
Ein Thema ist so etwas wie ein Bereich in einem Supermarkt: Also zum Beispiel die Gemüse-, Obst- und Süßigkeitenabteilung.
Eine Geschichte aber sind: eckige Kartoffeln, die teuerste Ananas der Welt oder ein vergiftetes Kinder-Bueno.
Kurzum: Ein Thema ist ein Feld, in dem sich eine Geschichte verbirgt. Und die uns im besten Fall überrascht. (Eckige Kartoffeln?? Wie kommt der Preis der Ananas zustande? Wer hat das Bueno vergiftet?)
Übersetzt für den Journalismus bedeutet das
Lieber nicht:
Ich würde gern einen Text über Polyamorie schreiben. Denn das beschäftigt junge Menschen. (Ist klar, aber das tut es auch schon seit der Antike? Was ist daran neu?)
Oder:
Maxi Mustermann zeigt auf Instagram, wie es ist, mit einer psychischen Krankheit zu leben. (Alles klar, aber was macht Maxi Mustermann besonders, wie groß ist ihr Account, welche Frage hast du an sie?)
Sondern lieber so:
10 Sätze, die ich als polyamorer Mensch nicht mehr hören kann.
In Zeiten ständiger Krisen erheben junge Menschen auf TikTok, YouTube und Instagram etwas zum höchsten Gut: Mental Health. Therapieren sie sich jetzt selbst?
Wo finde ich solche Geschichten?
In den Nachrichten. Bei ZEIT Online nennen wir es »Tangente«, wenn wir über unterschiedliche Zugänge zu einer Nachricht sprechen. Beispiel: Die Proteste im Iran. Es gab dazu sowohl Protokolle (Wie geht es den Betroffenen?), Interviews mit Wissenschaftler:innen (Wer ist die iranische Sittenpolizei?) als auch Kommentare (Wo bleibt die feministische Außenpolitik, Frau Baerbock?) Manchmal taugen auch einfache Meldungen zu einer größeren Geschichte. Ich möchte zum Beispiel wirklich alles über diesen 7-jährigen Bankräuber wissen.
In Texten, Radiobeiträgen, Videoformaten, Podcasts. Fiktives Beispiel: Ein Promi erzählt in einem Nebensatz, dass er eine ADHS-Diagnose hatte, aber der:die Interviewer:in geht nicht darauf ein. Hier kann man anknüpfen. Mit einem Protokoll oder Interview zum Thema ADHS oder einem Protagonisten für ein Feature über mentale Gesundheit.
In Gesprächen. Als ich mit meiner Kollegin Cathrin Schmiegel im Sommer 2020 nach Hanau fuhr, um dort herauszufinden, wie die Stadt mit dem rassistischen Attentat des 19. Februar umging, begann unsere Recherche durch den Nebensatz des Angehörigen Çetin Gültekin. Er erzählte uns, dass die Stadt den Opfern ein Mahnmal bauen wolle. Durch mein Studium der Friedens- und Konfliktforschung wusste ich: Sowas kann ganz schön kompliziert werden. Am Ende recherchierten wir fast zwei Jahre und begleiteten für DIE ZEIT einen der seltensten Prozesse in der Geschichte deutscher Erinnerungskultur.
In einem selbst. Die berühmte Ich-Reportage, die immer super ist, wenn man wirklich was zu erzählen hat, weil man mal vor einer Herausforderung stand oder steht. So wie Gesa Gottschalk über die Angst vorm Sterben, so wie Christopher Bonnen über sein ADHS oder so wie Annabelle Seubert über die Geburt ihres Kindes.
In der (effektiven) Googlesuche. Ich habe mal den Auftrag bekommen, eine Geschichte über Hoffnung in der Wissenschaft zu finden. Dabei merkte ich, dass in den meisten Meldungen die Formulierung »Die Forscher hoffen« zu finden war. Ich habe daraufhin nur nach dieser Formulierung gesucht und so recht zügig diese Geschichte über eine Familie gefunden, deren Kinder an einer seltenen Krankheit leiden.
In Fragen. Ich habe meine Ausbildung an der Henri-Nannen-Schule gemacht und dort das investigative Arbeiten unter anderem beim geschätzten Daniel Drepper gelernt. Er sagte dort einmal: »Fragt euch immer: Wer ist die arme Sau?« Also: Wer leidet unter einem Gesetz? Einer Tat? Einem Unternehmen? Ein weiterer Klassiker der investigativen Recherche ist das »Follow the money«-Prinzip. Also: Wer finanziert die AfD?
Im Brainstorming. Bei ZEIT Campus müssen wir manchmal zu sehr konkreten Themen Geschichten finden. Wir brainstormen dann in einem Google Doc die Fragen, die wir an ein Thema haben, ohne vorher einmal gegoogelt zu haben und die sich vielleicht auch unsere Freund:innen stellen. Oder was wir selbst damit verbinden, so ganz spontan. So begann meine Recherche über unbezahlte Praktika. Ich habe mir die simple Frage gestellt: Warum gibt es die eigentlich noch?
Vor Ort. Manchmal muss man einfach losfahren und vor Ort die Menschen fragen: Was bewegt euch gerade? Worüber streitet ihr? Was muss sich ändern? Wer ändert etwas? Unter wem oder was leidet ihr?
In Gefühlen. Die Forderung nach dem sozialen Pflichtdienst ist einfach nur dreist? RTL 2 sollte sich schämen, dem Wendler eine Reality-TV-Show angeboten zu haben oder du willst einfach wissen, wer hinter einem Twitter-Account steckt? In allen Emotionen, die du zu einer Nachricht, einer Debatte oder einem Ereignis in deinem Freundeskreis hast, kann eine Geschichte stecken.
Gemäß der Zeile dieser Newsletterfolge: Was schreibe ich in meine Mail?
Nehmt vor dem Pitchen Kontakt mit der Redaktion auf, und zwar am besten persönlich. Schreibt nicht gleich dem:der Chefredakteur:in, sondern recherchiert, welche Redakteur:in für euer Thema geeignet sein könnte und schreibt ihnen eine kurze Mail. Die meisten Adressen funktionieren nach dem Vorname.Nachname@Medium.de Prinzip, manche Redakteur:innen haben aber auch professionelle LinkedIn-Profile, in denen ihr nach der Adresse fragen könnt. In dieser Mail könnt ihr fragen: Nehmt ihr Pitches von Freien entgegen? Und: Was sucht ihr überhaupt für Themen? Was zahlt ihr dafür?
Sagt Anne-Kathrin immer und gilt auch hier: Kurz halten. Schreibt als erstes einen Teaser, so wie ihr den Text potentiell veröffentlichen würdet. Denn: Nur wer es schafft, seine Geschichte in zwei bis drei Sätzen zu formulieren, weiß auch, worüber er schreiben will.
Überlegt euch eine gute Zeile, die direkt Lust auf euren Text macht. Diese Tipps helfen dir, dass eure Pitches nie wieder im Papierkorb landen, zum Beispiel.
Gebt Hintergründe zum Thema. Erklärt der Redaktion, warum eure Geschichte oder eure Gesprächspartner:innen neu und spannend sind oder was man von ihnen lernen kann.
Über eure Geschichte hat noch nie jemand berichtet oder doch schon ziemlich viele, aber euer Zugang ist neu, weil ihr etwa mit Betroffenen gesprochen habt? Macht das immer transparent, früher oder später googelt die Redaktion das sowieso
Nennt eure Kontaktdaten und erklärt, warum ihr für diesen Auftrag gut geeignet seid. Also zum Beispiel: Ich kann fließend Französisch sprechen oder ich habe schon einmal eine Reportage dieser Art umgesetzt. Hier sind meine Arbeitsproben.
Wählt ein angenehmes Format, um all der Redaktion das zu erzählen. Also entweder Bulletpoints in einer E-Mail (liebe ich!) oder maximal eine Seite PDF.
Und, das ist glaube ich, mein wichtigster Rat, gebt nie auf, wenn es bei einer Redaktion mit dem Pitchen nicht klappt. Es gibt so viele Gründe, warum gute Geschichten abmoderiert werden, weil es nicht hinhaut mit der Planung, dem Geld oder auch einfach dem Geschmack
Ich danke für eure Aufmerksamkeit!
Und natürlich freue ich mich über Pitches aller Art für ZEIT Campus Print und online. Mein Postfach ist offen: katharina.meyerzueppendorf@zeit.de
Und wer mir folgen will: Ihr findet mich auf Twitter, Instagram und LinkedIn.
Vielen Dank, Katharina! Disclaimer von mir: Bitte schickt Katharina nur Vorschläge passend zu ihrem Ressort Campus, die anderen Mail-Adressen findet ihr mit ihren Hacks auch heraus. Mein Bonus-Hack: Sucht euch bestehende Serien und schaut, ob ihr zu denen gute Protagonist*innen findet. Ich habe meine ersten Geschichten in der Spiegel-Online-Serie “Mein erstes Mal” gepitcht. Habt ihr weitere Fragen zum Thema Pitch? Schreibt sie gerne in die Kommentare.
🎈 Anne-Kathrin
Ok, hier kommt eine sehr pragmatische Frage: Soll ich im Mailbetreff das Wort Pitch unterbringen oder direkt die möglichst interessante Zeile zu meiner Idee? Ich hab nämlich festgestellt, dass auch das ein Stolperstein sein kann.