SORRY! Wie eine gute Entschuldigung aussieht
Warum "Das war nicht unsere Absicht" nicht reicht. Plus: die erste Nominierung für TextHacks. Hurra.
Hi und willkommen zu TextHacks! Diese Woche startet mit einem Highlight, denn dieser Newsletter ist zum ersten Mal für einen Preis nominiert: für die Goldenen Blogger. Im April gibt’s die Entscheidung und die Verleihung.
Also Daumen drücken. Und weitermachen. Denn diese Woche geht es um ein Thema, bei dem eine Menge schiefgehen kann: Fehler machen.
Ich habe vergangene Woche einen gemacht und irgendwie den Link in einer Anzeige zerstört. Deshalb kommt sie nun noch einmal. Und danach erklärt Veronique Schönleben (Brüggemann), wie eine ordentliche Entschuldigung aussieht.
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Sie ist Formatentwicklerin und Redakteurin bei funk und entwickelt und betreut dort journalistische Formate für junge Zielgruppen. Zuvor war sie Social-Media-Redakteurin beim SPIEGEL. Folgt ihr bei Twitter, Instagram oder LinkedIn.
Umgang mit Fehlern: Richtig Entschuldigen – so geht’s
Du oder deine Redaktion haben einen Fehler gemacht? Das passiert. Aber jetzt geht es rund? Negative Kommentare, wütende Tweets, Screenshots kursieren und Multiplikatoren werden darauf aufmerksam? Jetzt heißt es durchatmen und klug handeln.
Ich habe in meinen 10 Jahren Arbeit mit Social Media in verschiedenen Redaktionen noch keine begründete (!) Empörungswelle getroffen, die sich nicht durch eine gute, aufrichtige und zeitnahe Entschuldigung stoppen oder zumindest stark mildern ließ.
Aber: Wann solltet ihr euch entschuldigen und wie sieht eine gute Entschuldigung aus? Hier kommt die Anleitung: *
Müssen wir uns entschuldigen?
Es ist gute journalistische Praxis, Fehler transparent zu machen und richtig zu stellen. Angenommen, in einem Online-Text stand der Satz:
Papst Benedikt XVI ist am Neujahrstag 2023 verstorben.
Er starb aber am 31.12.2022. Dann sieht die Korrektur – entweder an der gleichen Stelle oder mit einer ergänzenden Notiz unter dem Text – so aus:
Papst Benedikt XVI ist am 31.12.2022 verstorben. In einer früheren Version dieses Textes hatten wir fälschlicherweise geschrieben, er sei am Neujahrstag 2023 gestorben. Wir haben den Fehler korrigiert und bitten um Entschuldigung.
Bei kleinen, sachlichen Fehlern wie diesem ist es eine Geschmacksfrage, ob die Entschuldigung wirklich nötig ist. Oft ist sie jedoch unumgänglich. Das gilt insbesondere dann, wenn grobe moralische oder handwerkliche Fehler gemacht wurden und Betroffene oder Nutzer:innen zu Recht wütend sind. Ein paar mögliche Beispiele:
Das Titelblatt reproduziert rassistische Stereotype.
Der Beitrag enthält zahlreiche Unsauberkeiten und Falschinformationen.
Jemand kam durch übergriffige Berichterstattung zu Schaden.
Ein Kommentar enthält sexistische Angriffe auf eine Person.
Der Reporter hatte einen Interessenskonflikt, der nicht offengelegt wurde.
Hier gilt es schnell zu handeln und möglichst ehrlich zu sein. Sonst wird alles nur schlimmer.
Anders liegt der Fall bei gesteuerten Kampagnen, die bei näherem Hinschauen gar keine konkrete Kritik enthalten. Sie kommen in der Regel aus kleinen, gut organisierten Gruppen und sind an immer gleich lautenden Kommentaren weniger Nutzer zu erkennen. Es geht darin selten um konkrete Fehler, stattdessen wird bereits die Existenz einer Person, Gruppe, Sendung etc. kritisiert. Eure Kolleg:innen im Social-Team und Community-Management können sie erkennen und wissen, wie man damit umgeht.
Aber Vorsicht! Fragt euch ehrlich: Haben wir wirklich keine Fehler gemacht? Sehen andere im Team das auch so? Haben wir auch Menschen mit diversen Hintergründen und Perspektiven dazu befragt?
Eine gute Entschuldigung
Eine gute Entschuldigung erfolgt zeitnah, benennt die gemachten Fehler klar und korrigiert sie – wenn möglich – eindeutig und sauber. Hier gehen wir vor, wie bei einer Richtigstellung. Ein fiktives Beispiel zur Erläuterung:
„Wir haben in unserem Beitrag das antisemitische Stereotyp reproduziert, Juden hätten besonders große Nasen. Das ist falsch. Jüdische Menschen haben – wie alle anderen auch – sehr unterschiedliche Nasenformen.“
So zeigt ihr deutlich, dass ihr die Kritik gehört und verstanden habt. Als nächstes müssen wir Verantwortung übernehmen und soweit möglich erklären.
„Dieser Fehler hätte uns nicht passieren dürfen. Die Verwendung dieses antisemitischen Klischees hätte uns bei den internen redaktionellen Kontrollen auffallen müssen.“
Anschließend solltet ihr Konsequenzen benennen und möglichst aufrichtig Reue zeigen und um Entschuldigung bitten.
„Wir haben den Beitrag an der entsprechenden Stelle korrigiert und mit einem Hinweis versehen.
Es tut uns sehr leid, dass der Beitrag so veröffentlicht wurde. Wir wissen, dass wir damit viele Menschen verärgert und auch Gefühle verletzt haben. Dafür bitten wir aufrichtig um Entschuldigung.“
In der Folge ist es wichtig, berechtigte Wut und Kritik aushalten. Außerdem solltet ihr überlegen, wie ihr ähnliche Fehler in Zukunft verhindern und entsprechende Maßnahmen umsetzen werdet. Auch diese kann man ankündigen. Je nach Sachlage, kann das aber wirken wie ein leeres Versprechen, deswegen ist hier Vorsicht geboten.
Eine schlechte „Entschuldigung“
In einigen Köpfen hängt noch der Gedanke fest, Kritik lasse sich abwarten und aussitzen und dass das Anerkennen von Fehlern einen viel größeren Imageschaden bringe, als die Kritik selbst. In Zeiten von Social Media ist diese Einstellung fatal. Fehler versenden sich nicht mehr.
Eine schlechte „Entschuldigung“ kommt fast immer zu spät. Nämlich dann, wenn der Druck so groß geworden ist, dass man irgendwas sagen muss, obwohl man nicht will. Das zeigt sich auch im Text des Statements.
Statt den Fehler zu benennen, wird er relativiert. Oft folgen Rechtfertigungen und Ausreden. In unserem fiktiven Beispiel könnte das so klingen:
„Uns hat viel Kritik zu unserem Beitrag erreicht, aber auch viel Lob. Wir wollen mit unseren Inhalten immer Diskussionen anstoßen, das ist offenbar gelungen.“
Eine richtige Entschuldigung enthalten solche Statements in der Regel nicht. Stattdessen gibt es eine „Nopology“ – eine Entschuldigung, die eigentlich keine ist. Typische Elemente: Es „war nicht so gemeint“, „wurde falsch verstanden“ , man „wollte keine Gefühle verletzen“ und „falls das doch passiert sein sollte, tut es uns leid“.
Unser Beispiel:
„Bei kontroversen Beiträgen kann es passieren, dass auch Gefühle verletzt werden. Das war natürlich nicht unsere Absicht. Wir wollten uns dem Thema jüdische Nasen humoristisch nähern. Sollte das missverstanden worden sein und sich dadurch jemand verletzt gefühlt haben, tut uns das leid.“
Man merkt: Auch sprachlich sind Nopologies keine Freude – sie sind voll von Konjunktiven, handelnde Personen werden nicht benannt.
Andere Elemente schlechter Entschuldigungen: Änderungen versprechen, aber nicht abliefern. Oder: Die Schuld auf Einzelne abwälzen. Beides zeigt, dass man als Organisation nicht gewillt ist, Verantwortung zu tragen und aus Fehlern zu lernen.
Vorbeugen
In jeder Redaktion passieren Fehler. Ich habe beobachtet: In einem Klima der Angst gedeihen sie besonders gut. Denn: Wo niemand sich traut, über Fehler zu sprechen, fallen sie erst auf, wenn es zu spät ist. Eine Redaktion, die sich und ihre Arbeit regelmäßig hinterfragt und konstruktiv-kritisch miteinander umgeht kann zum Beispiel eine problematische Überschrift noch vor der Veröffentlichung bemerken und ändern.
Tipp: Die meisten Social-Redakteur:innen sind Profis darin, die Dynamiken von Online-Diskussionen einzuschätzen. Wenn diese Leute sagen: „Puh, das kann uns ganz schön um die Ohren fliegen“, sollte jeder kluge CvD oder Chefredakteur hellhörig werden.
*Disclaimer: Dieser Hacks sind aus der Perspektive von Social-Media-Redaktion und Community-Management geschrieben und beachten vor allem die Wirkung auf diese Bereiche. Unternehmenskommunikation muss aber oft noch viele andere Punkte bedenken. Wenn ihr dazu Expert:innen im Haus habt, sprecht euch mit ihnen ab.
Danke, Veronique! Hoffe natürlich, dass diese Folge möglichst fehlerfrei ist. Liebe Grüße, Anne-Kathrin
Herzlichen Glückwunsch!
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