Streich deine tollen, fantastischen, schönen Adjektive
Plus: 3 Hacks, um besser über die Klimakrise zu schreiben
Hi und willkommen zu TextHacks. Die heutige Folge ist aus der Kategorie: Dinge, die wir im Deutschunterricht gelernt haben und wieder vergessen sollten. Mit Adjektiven, so wurde uns versprochen, würden die Texte lebendiger. Das mag stimmen. Kommt aber auf die Adjektive an und darauf, wie oft wir sie verwenden.
Vermeiden sollten wir Adjektive, die allgemein bleiben: anders, besonders, groß, klein, perfekt. Darunter stellt sich jeder und jede etwas anderes vor oder im Zweifel: gar nix.
Fall 1: im Marketing. Jeder und jede kann behaupten, dass das Produkt “toll” ist. Oder “besonders”. Das glauben wir dann, wenn wir bereits Vertrauen zu einer Marke haben. Ansonsten denkt sich das Gehirn: Kann ja jeder behaupten. Besser: Welches Problem löst das Produkt?
Fall 2: in Überschriften. “Das sind die schönsten Cafés in Berlin”. Oder: “Das sind die besten Tipps für Gehaltsverhandlungen”. Besser: 7 Tipps für Gehaltsverhandlungen, die deinen Chef überraschen.
Fall 3: Veranstaltungsberichte. Sag den Leuten nicht, dass das Fest “fantastisch” war. Oder die Freude des Brautpaares “groß”.
Was besser funktioniert: Show, don’t tell.
Das bedeutet: Male ein Bild vor den Augen der Leser*innen. Werde konkret. Nenne ein Beispiel. Erzähl den Leuten, was genau fantastisch war. Schildere eine Szene. Lieber schreiben: Das Brautpaar bedankte sich so oft bei seinen Gästen, dass das Essen beinahe kalt wurde. Die Leute verließen das Fest erst, als die Sonne schon wieder aufging.
3 Text-Hacks, um besser über die Klimakrise zu schreiben
Selina Marx ist Redakteurin beim WDR und dort u.a. Teamleiterin des Instagramkanals @klima.neutral. Dort gibt’s täglich Infos über die Klimakrise und Klimapolitik.
Die richtige Wortwahl
Sprich von „Klimakrise“ und nicht von „Klimawandel“ – und nein, das ist kein aktivistisches Framing. Eine Krise beschreibt per Definition eine „schwierige Zeit, die den Höhe- und Wendepunkt einer gefährlichen Entwicklung darstellt“. Anerkannte Wissenschaftler*innen weltweit sind sich einig, dass wir in den kommenden Jahren Kipppunkte überschreiten könnten, die zu irreparablen Schäden an unseren Ökosystemen und unserem Klima führen. Warum? Weil wir Menschen mit unseren Emissionen den globalen Treibhauseffekt massiv antreiben.
Der Begriff „Klimawandel“ verharmlost diesen Zustand. Denn das Klima hat sich schon immer gewandelt. Doch noch nie in einem so rasanten Tempo und wegen uns Menschen.
Weniger ist mehr
Die Klimakrise ist komplex und oft sind die dazugehörenden Prozesse nur schwer zu verstehen. Hab keine Angst deshalb, sondern sei mutig und fokussiere dich auf einen Aspekt, den du gründlich recherchierst. Besser die Lesenden haben am Ende einen Zusammenhang richtig verstanden, statt hunderte Details im Kopf, die nur ein schwammiges Bild ergeben.
Aktuelles Beispiel: Du schreibst über die Hitzewelle in Europa. Die hat – Überraschung! - was mit dem Schmelzen des Eises in der Arktis zu tun! Denn: Hitzewellen werden intensiver, wenn sich der Jetstream verlangsamt. Der Jetstream ist eine Art Luftband, das sich normalerweise in leichten Wellen weit über unseren Köpfen bewegt und dafür sorgt, dass unser Wetter weiterzieht. Die Geschwindigkeit des Jetstream hängt mit dem Temperaturunterschied zwischen Arktis und Äquatorgebiet zusammen. Je mehr Eis in der Arktis schmilzt, desto wärmer wird es dort und desto geringer ist der Unterschied zum Äquator. Ergo: Der Jetstream verlangsamt sich und das heiße Wetter bei uns dauert länger an.
Du siehst: Du kannst zwar jetzt nicht erklären, was genau der Jetstream ist, aber du hast in wenigen Sätzen verstanden, inwiefern die Eisschmelze in der Arktis und die Hitzewelle in Europa zusammenhängen. Und das ist doch schon ein guter Anfang ☺
Keep smiling
Auch wenn die Klimakrise die größte Herausforderung unserer Zeit ist und Journalist*innen seit Jahrzehnten eingetrichtert wird, „only bad news are good news“ – Humor ist trotzdem ausdrücklich erlaubt. In Dosen und zielgruppengerecht. Manchmal sagt eine Anekdote oder ein Meme einfach mehr aus als das Aufzählen unzähliger Studienergebnisse.
Vielen Dank, Selina! Ich wünsche euch eine möglichst Adjektiv-freie Woche, liebe Grüße, Anne-Kathrin
TDM:
Weniger ist mehr -> aktuelles Beispiel:
>" Je mehr Eis in der Arktis schmilzt, desto wärmer wird es dort und desto geringer ist der Unterschied zum Äquator."
Ulkig. Ich dachte, es sei gerade anders herum: Erst wird es wärmer, und dann schmilzt das Eis. Da bin ich wohl einer Falschmeldung aufgesessen.
Nix für ungut!
Tom
TDM:
Aus dem Artikel:
> "Hi und willkommen zu TextHacks. Die heutige Folge ist aus der Kategorie: Dinge, die wir im Deutschunterricht gelernt haben und wieder vergessen _sollte_. Mit Adjektiven, so wurde uns versprochen, würden die Texte lebendiger. Das mag stimmen. Kommt aber auf die Adjektive an und darauf, wie oft wir sie verwenden. "
Das waren die ersten Zeilen überhaupt, die ich auf dieser Seite gelesen habe. Was mich dazu bewog, vor dem Weiterlesen zunächst mal diesen meinen ersten Eindruck zu kommentieren.
Fazit:
„KI“ ersetzt kein Lektorat
„KI“ ist prinzipiell ein Kinderspiel, verglichen mit „Künstlicher Dummheit“. Da hat sich bisher auch noch keiner herangetraut. ;-)
Vorschlag (! grins ! ) Wir sollte Fehler konsequent durchhalte. Weil wir alle _sollte_ (siehe oben) wir selbst bleibe. Wird man sich wohl merke könne, oder?
Nix für ungut!
Tom