Hi und herzlich willkommen zu Texthacks! Diese Folge beginnt mit einer guten Nachricht für diesen Newsletter: Ja, Menschen lesen Texte. Auch wenn Plattformen wie TikTok boomen und Reels bei Instagram ein Reichweitentreiber sind.
Das sind die Erkenntnisse aus dem neuen Reuters Digital News Report:
✔️ Die Mehrheit der Befragten sagt: Wir wollen News lieber lesen als anschauen.
✔️Jüngere Zielgruppen mögen Videos eher als ältere, nicht sonderlich überraschend, aber selbst hier gilt: Text liegt mit Abstand vorne.
✔️ Warum Text? Das Hauptargument lautet: geht schneller.
Hier geht’s zum gesamten Report für Deutschland.
Über die Ergebnisse und vor allem die aufkommende Nachrichtenmüdigkeit habe ich im Podcast “Was mit Medien” mit Simon Hurtz, Daniel Fiene und Dennis Horn gesprochen. Gibt’s hier bei Spotify oder Apple Podcasts.
Was folgt daraus?
✔️ Auf Plattformen wie Instagram nicht nur auf Video-Content setzen. Vor allem wenn die Stärke der Redaktion auf Texten liegt. Wer schlechte Reels produziert, wird vermutlich kurzfristig Reichweite schaffen, aber keine neuen Fans für die Marke gewinnen.
✔️ Instagram-Captions ausreizen und dort Geschichten erzählen statt klassisches Teasing. Das erkläre ich genauer hier:
✔️ Kurz halten. Leute mögen Text, weil sie dort sofort einen Überblick bekommen. Das gilt besonders dann, wenn es um Service geht oder Basic-Informationen vermittelt werden sollen. (Explainer wiederum dürfen in die Tiefe gehen)
✔️ Texte übersichtlich halten. Der Vorteil von Texten ist, dass Menschen dort weiterscrollen können, wenn sie auf der Suche nach einer bestimmten Info sind. Videos müssten sie dafür komplett schauen. Deshalb elementar: Struktur und Zwischenüberschriften. Wichtiges fetten. Unwichtiges streichen.
4 Hacks einer genervten Textchefin
Michèle Loetzner arbeitet aktuell als freie Journalistin und Textchefin für die deutsche VOGUE. (Disclaimer von mir: Wenn sie nicht genervt ist, ist sie echt nett, ihr solltet ihr überall folgen und außerdem alle ihre Texte lesen oder ihr Buch zu Liebeskummer kaufen)
4 Nervsachen, die Michèle als Textchefin immer wieder auffallen:
👩💻 Mach kurze Sätze, vor allem beim Einstieg. Niemand will am Anfang einer Geschichte einen Satz lesen, der über acht Zeilen geht. Punkte sind toll. Mach Punkte.
❌ Verzichte auf Ausrufezeichen. Niemand will aus Texten heraus angeschrien werden. Ich erkläre diese Regel in Konferenzen (pre pandemic) immer mit einem Kinder-Megaphon, das ich meiner Tochter geklaut habe. HÖRT AUF, LEUTE ANZUSCHREIEN AUS HEFTEN HERAUS!!!11elf! AUCH NICHT AUS DEM INTERNET!!1!
Für Print gilt: Ein Ausrufezeichen pro Heftseite ist genug. Für Online gilt: Ein Ausrufezeichen pro 3000 Zeichen ist ebenfalls genug.
Immer gilt: Keine Ausrufezeichen in Überschriften. Nie. Verdammt!
💡 Mach Zwischenüberschriften. Das strukturiert den Text und hilft dem Auge als Anker. Liefere diese Zwischenüberschriften auch bei deinem Rohtext mit ab, damit bearbeitende Redakteur*innen sehen, wie deine Gedanken organisiert sind. Niemand will 15k Zeichen Bleiwüste lesen. (Disclaimer: In diesem Newsletter gibt es diesen Tipp 2 Mal und das völlig zurecht)
😡 Extra-Rant: Es heißt im Deutschen „Sinn ergeben“, nicht „Sinn machen“. Das ist ein False Friend. Wenn ich noch einmal in einem Text lesen muss, dass etwas Sinn macht, muss ich mich selbst mit dem Megaphon zu Tode schreien.
Ich verabschiede mich hiermit ganz leise und ohne Megaphon. Wir lesen uns an dieser Stelle kommende Sache wieder, viele Grüße, Anne-Kathrin
Sinn machen ist kein False Friend noch ist es neu in der Deutschen Sprache. Das sich diese Mär immer noch hält ist sehr Schade. Schöne Blogartikel Reihe gibt es hier: https://www.sprachlog.de/2007/10/01/sinnesfreuden-i/
In allem liebe ich diesen Newsletter.