Hi und herzlich willkommen zu TextHacks! Diese Woche kehrt Heike Faller in den Newsletter zurück.
Wer neu dabei ist: Heike Faller ist Henri-Nannen-Preisträgerin, arbeitet als Autorin beim Zeit Magazin und berät immer wieder Menschen, wie sie gute Texte schreiben. (Ihr könnt euch übrigens hier bei ihr melden). Das waren ihre ersten beiden Folgen:
In der heutigen Folge stellt sie sich die Frage: Warum nutzen Politikerinnen und Manager immer die gleichen Worte? Ich übergebe an Heike:
Die langsame ChatGPT-Sprache
Das Problem vieler Leute, die immer wieder über dasselbe Thema schreiben: Sie fangen an, immer wieder dieselben Wörter zu verwenden, als gäbe es nur die. Als hätten sie eine Art Magnetic Poetry im Kopf mit sehr wenigen Teilen. Sie schreiben in einer Chat-CPT-haften Durchschnittssprache, nur halt viel langsamer.
Politikerinnen bedanken sich für die “spannende Diskussion mit den Vertretern der Landwirtschaft”, bedauern “brutale Kriege” oder dissen die Regierungskoalition, die natürlich, was sonst, “unfähig” ist. Managerinnen bieten Arbeit in einem “diversen Team” und Deutschlandfunkredakteure loben den “unbestechlichen Blick” des neuen Nobelpreisträgers.
Der Vorher-Nachher-Vergleich
Wann immer ich auf so ein konventionelles Wort stoße, frage ich mich (oder die Autorin) deshalb: Was fühle ich wirklich? Also wirklich. Und was ist das richtige Wort dafür? Und dann kommt man zum Beispiel darauf, dass
…die Diskussion nicht spannend, sondern „anstrengend, aber am Ende versöhnlich“ war?
…die Regierung nicht „unfähig“, sondern „Fehler begeht, von denen wir glauben, dass wir es besser können“.
…das Team nicht amerikanisch-divers ist, sondern aus ein paar „sehr unterschiedlichen“ Menschen besteht (vom Grumpy-Longterm-Mitarbeiter bis zur nervig-visionären Volontärin aus immerhin Vienna).
…und der Nobelpreisträger gar nicht so einen „unbestechlichen“ Blick hat, sondern einen, der, sagen wir, „bisweilen kalt“ wirkt?
…jeder Krieg brutal ist?
Wie es klingt, wenn man auf reflexhafte Sprache verzichtet, kann man im jüngsten Post von Annalena Baerbock bzw. deren Social Media-Team sehen. Es geht um Einwanderung:
„Und wir werden darin erfolgreich sein, wenn wir alle gemeinsam an einem Strang ziehen: mit einem modernen Einwanderungsrecht, aktiven Unternehmen und einer warmherzigen Gesellschaft, in der unsere Willkommenskultur in unseren Visastellen beginnt und bis zur Kita um die Ecke reicht.“
In einem warmherzigen Land will ich leben. Es ist ein Wort, dass man tatsächlich wahrnimmt. Vor allem, wenn das nicht eine Pastorin sagt, sondern eine Politikerin. Und Schreiben ist, ähnlich wie Zaubern, eine Manipulation der Wahrnehmung.
In diesem Sinne: warmherzige Grüße!
Vielen Dank, Heike! Wie es nicht geht, zeigt übrigens Friedrich Merz, in diesem Zitat, das vermutlich nicht geschrieben, aber dennoch wohl überlegt wurde. Ein Satz, bei dem nichts hängen bleibt.
Kleine Übung für die Pressesprecherin in euch: Was könnte er statt “Schönes Abenteuer” sagen, was interessant ist und dennoch nicht zu einem Shitstorm führt?
🎈Liebe Grüße, Anne-Kathrin
Wie wär's mit "Aufschlussreiche Erfahrung". Besser wäre natürlich ein Satz mit Verb wie: "Hat mir gezeigt, dass es viel Übung und Routine braucht, um dort oben kühne Entscheidungen zu treffen."
"Eine solche Geschwindigkeit habe ich noch nie erlebt."
Vielleicht etwas lang, aber es drückt ein Erlebnis aus und ist nicht verfänglich. Das ein Kampfjet schnell ist, überrascht wohl niemand.