Die Anti-Hass-Strategie für TikTok, Insta und Facebook
Was bringt Gegenrede? Wie formuliere ich gegen Trolle? Und Vorsicht: So kann Aufklärung Rechten sogar helfen....
Hi und herzlich willkommen zu TextHacks! Diese Woche mit einem politischen Thema: Wie formuliere ich Gegenrede auf Social Media? Dazu habe ich Franzi von Kempis eingeladen, deren Buch mir sehr oft geholfen hat und die neuerdings auf Substack aufklärt. Willkommen!
Franzi ist Kommunikationsberaterin und Autorin von “Anleitung zum Widerspruch: Klare Antworten auf populistische Parolen, Vorurteile und Verschwörungstheorien”, sie schreibt den wöchentlichen Newsletter “Adé AfD”, in dem sie über Rechtsextremismus aufklärt und konkrete Handlungsmaßnahmen gegen Spaltung vorstellt.
Ihre Schwerpunkte sind Demokratie am Arbeitsplatz und neue Dialogkonzepte für den Umgang mit Populismus und Polarisierung. Wenn ihr Beratung zu Positionierung und Debatten über politischen Themen in eurem Unternehmen oder für euch selbst sucht, meldet euch gerne bei ihr. Ich übergebe an Franzi:
Was du tun kannst, wenn du auf Hasskommentare und rechtsextreme Inhalte triffst
Im Netz sind die Stimmen, die Hass und Hetze verbreiten, besonders laut. Eine neue Studie zeigt: Viele ziehen sich aus Angst, überhaupt ihre Meinung zu äußern, zurück. Wer übrig bleibt, sind die Lauten und die, die noch da sind, müssen besonders Angst haben.
Also habe ich zusammengetragen, wie du dich effektiv gegen Hass im Netz und Rechtsextremismus im Internet positionieren kannst – und wie wir alle demokratische Inhalte besser unterstützen können.
(Achtung: Das sind größtenteils Ideen für Einzelpersonen, aber ihr könnt sie natürlich auch in euren Teams anwenden.)
Nutze die Algorithmen für deine Zwecke
Plattform-Algorithmen interessiert nicht, für wen du bist. Sie reagieren auf Relevanzsignale. So funktioniert zum Beispiel auch die Strategie rechtsextremer Provokationen: Sie setzen darauf, dass Gegenrede Aufmerksamkeit schafft. Das gilt aber genauso für demokratischen Content: Wenn wir aktiv Inhalte unterstützen, die zum Beispiel Aufklärungsarbeit leisten, erhöht das deren Reichweite. Ein Like, ein Kommentar oder eine Antwort können also wirklich einen Unterschied machen.
🔥 Schickt auf Instagram für die Story ein Feuer-Emoji, liked den Linkedin-Beitrag, kommentiert auf YouTube: Es hilft.🔥
Denke plattformstrategisch
Nicht alle Plattformen funktionieren gleich (wenn auch oft ähnlich). Also hilft es, sich pro Plattform anzugucken, was gegen problematische oder für positive Inhalte besonders gut funktioniert.
TikTok: Sei vorsichtig mit dem Stitching von problematischen Inhalten, auch wenn du es gut meinst und über Falschinformationen aufklären willst – Stitchen erhöht die Reichweite des Originalvideos. Und informier dich über die gängigen Codes: Auf TikTok (und Instagram) wird viel mit sogenanntem Algospeak gearbeitet, es werden bestimmte Worte genutzt, um Zensur durch den Algorithmus zu umgehen. Zum Beispiel: Immer wieder gab und gibt es Restriktionen für Inhalte über Sexualität, unter anderem auch Queersein. Dadurch hat sich die Praxis etabliert, „le$bean“ statt lesbisch zu nutzen – oder von “Seggs” statt Sex zu sprechen. Aber: Diese Umwegskommunikation wird u.A. auch von Rechtsextremen als Strategie genutzt, um menschenfeindliche Positionen zu verstecken und gleichzeitig zu verbreiten. Einen wirklich guten Text dazu findet ihr hier.
X (ehemals Twitter): Teile problematische Beiträge nicht direkt, sonst gibst du dem Originalpost noch mehr Reichweite. Stattdessen sind Screenshots eine Alternative.
Facebook: Unterschätze die Bedeutung dieser (für dich vielleicht nicht mehr relevanten) Plattform nicht. Auf Facebook hat die AfD doppelt so viele Fans wie die restlichen Parteien, da sie nach wie vor im älteren Wähler_innensegment erfolgreich ist. Facebook ist also nach wie vor relevant, wenn du überlegst, wo du wie kommentierst oder Dinge teilst.
Instagram: Unterstütze demokratische Inhalte – jede Interaktion zählt. Ein Herz oder Emoji als Antwort auf eine Story signalisiert Unterstützung und ist schnell gemacht. Ansonsten helfen dir auch die folgenden Strategien:
Dein/euer Intranet (gilt aber auch für andere Plattformen)
Bleib höflich und nahbar: Stell dich vor, erinnere daran, dass ihr euch im Kolleg_innenkreis, also eigentlich einem Vertrauenskreis, befindet. Menschen vergessen online, dass sie mit echten Menschen diskutieren.
Halte dich kurz: Kommentare, die Falschaussagen widersprechen, können und sollen kurz sein. Denn kurze Kommentare sind genauso, wenn nicht effektiver als ausführliche. Die Chance, gelesen zu werden, ist auch einfach höher. Wer den Studien-Beweis sucht, findet ihn hier.
Nutze Hacks, zum Beispiel die Sandwich-Technik, gegen Falschaussagen. Was wir hier machen: Wir ummanteln die Falschaussage. Fang mit etwas Wahrem an, pack die falsche Info in die Mitte deines Kommentars und zeig klar auf, dass sie nicht stimmt – am Ende wiederholst du nochmal die richtigen Fakten. So bleibt nicht die Falschaussage im Kopf hängen.
Und ganz allgemein: Was immer geht ist, die Melde-Funktion zu nutzen. Auch wenn du selber nicht kommentieren, posten, sharen oder liken willst: Auf allen Plattformen kannst du problematische Beiträge direkt melden. Menschenfeindliche Hetze, die Personengruppen, oder Einzelpersonen abwertet widerspricht nämlich, zumindest offiziell, den Community-Regeln aller Netzwerke.
Setze KI (richtig) für dich ein
Nutzt du Chat GPT dafür, dir Inspiration für Kommentare zu holen? Mir hilft es dabei, ruhig zu bleiben und sprachliche Ideen für Kommentare zu sammeln.
📲 Was für einzelne Kommentare gut funktionieren kann, ist folgender Prompt (Hinweis: Dieser Prompt ist kein Garant, natürlich hängt es vom einzelnen Kommentar ab, wie er für dich funktioniert – und mit was du ihn ergänzt):
Du bist Community Manager und dafür verantwortlich, besonnene, kurze Gegenrede-Formulierungen auf Kommentare zu finden. Bitte formuliere eine Antwort auf diesen Kommentar: (XYZ)
Berücksichtige dabei:
- Sachlich, empathisch und kurz zu bleiben
- Beziehe dich direkt auf den/die Kommentarschreiberin, sprich ihn/sie mit Du an
- Beende den Kommentar mit einer Frage (wahlweise)
➡️ Wichtig sind folgende Punkte:
Verwende das Chatfenster, in dem du deinen Kommentar bearbeitet hast, einfach wieder – so fängst du mit Chat GPT nicht immer von Null an.
Gib ChatGPT alle Infos, die du in deiner Antwort lesen willst: Du willst duzen? Dir ist wichtig, immer eine bestimmte Quelle anzugeben? Du willst immer die anderen Mitlesenden mit einbeziehen? Schreib es in der “zu berücksichtigenden”-Liste mit auf.
Du kannst Chat GPT auch mit Netiquette oder Plattformregeln “füttern”, an denen sich dein Antwortkommentar orientieren soll – einfach einen Link hinzufügen, oder noch besser ein PDF.
Vernetze dich, supporte Andere
Unterstütze diejenigen, die aktiv sind, die aufklären, Content machen, den du gut findest. Was rechtsextreme Netzwerke besonders gut machen: Sich verbünden und supporten, indem sie mit Content interagieren, liken, sharen, kommentieren. Dasselbe kannst du auch für demokratische Inhalte machen.
Interagiere: Auch ein Like wird vom Algorithmus als Interaktion gewertet, und sei es ein Emoji auf einer Insta-Story. Du musst nicht selbst Inhalte produzieren, aber du kannst denen, die es tun, schon mit deiner Interaktion sehr helfen.
Lass es Blumen regnen: Einfach mal positiv sein und einen sogenannten „Flower-Rain“ oder Love-Storm auslösen. Schließ dich mit anderen zusammen und gib den von Hass Betroffenen ein Zeichen, wie toll du sie findest – so schaffst du ein positive Alternative zum Shitstorm.
Solidarisiere dich: Menschenfeindliche Äußerungen sollten nicht unwidersprochen bleiben. Egal wo, wenn du dich dazu in der Lage fühlst: Sprich es an, zeige rote Linien auf.
Mach mit! Schließe dich Gruppen auf LinkedIn oder Facebook an, in denen Content geteilt wird – teile dort oder selbst Artikel, Postings, Videos, die du gut findest. Verwende Hashtags, die dein Thema vertreten (zum Beispiel #Demokratie).
Hol dir Support von Expert_innen: Es gibt großartige Anleitungen für Anti-Hassstrategien, zum Beispiel bei den Neuen Deutschen Medienmacher_innen. Wenn du dir unsicher bist oder mehr Futter für deine KI-Prompst suchst, wirst du hier fündig.
Vielen Dank, liebe Franzi! Wenn ihr mehr Strategien gegen die AfD sucht, abonniert ihren Newsletter. Außerdem empfehle ich euch zwei alte Folgen zum Thema Community Management: So geht ihr als großer Account mit Hass und Hetze um. Und so kann eine gute Entschuldigung aussehen, wenn ihr Fehler gemacht habt.
Liebe Grüße, Anne-Kathrin